Samstag, 24. Mai 2008

High-End Crashkurs

So manch einer würde gerne zur erlesenen Riege der High-Ender in Sachen HiFi angehören, schreckt aber vor den scheinbar großen Hürden zurück, die sich da vor ihm auftun. Diesen Aspiranten ist mein kleiner Beitrag hier gewidmet. Er soll zeigen daß High-Ender werden ganz einfach ist, wenn man es richtig anfängt, und wenn man die richtige Einstellung dafür hat. Meine jahrelangen Studien in High-Endologie will ich hiermit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Wenn Sie sich meine einfachen Regeln verinnerlichen, und mit Hingabe praktizieren, werden Sie in kürzester Zeit "dazugehören".

Sie werden vielleicht glauben, man müsse sehr viel wissen und sehr viel gehört haben, um High-Ender werden zu können. Es wäre kein Wunder wenn Sie das glauben würden, denn in High-Ender-Kreisen erweckt man diesen Eindruck gerne. Nehmen Sie das nicht zu ernst. Damit wird gerne kokettiert, aber es ist meist nur Show, so wie man in Literatenkreisen gern den Eindruck erweckt als hätte man James Joyce's "Ulysses" schon mit 14 im Original gelesen. Und wie viele Leute haben die Bibel oder den Koran nicht gelesen, wissen aber genau was das bedeutet, was da drinsteht? Na also.

Das Wissen der High-Ender besteht im Wesentlichen aus ein paar Ansichten, auf die man sich geeinigt hat, und mit denen man sich untereinander als High-Ender zu erkennen gibt. Wenn man den wesentlichen Teil dieser Ansichten kennt und sie passend zu äußern versteht, nimmt man fast automatisch den richtigen "Stallgeruch" an, der einem den Eintritt in den erlesenen Kreis erlaubt. Ob die Ansichten richtig oder falsch sind spielt erst einmal keine Rolle, sie zu hinterfragen wäre hinderlich. Es geht darum sie anzunehmen und zu eigen zu machen. Je mehr man auf diesem Weg fortschreitet, je leichter geht es, und je selbstverständlicher werden einem die Ansichten vorkommen. Der Clou beim Hinterfragen ist schließlich auch, daß man nicht die eigenen Ansichten hinterfragt, sondern die des Gegenüber.

Die Tatsache, daß sich so viele Leute, sogar über Sprachgrenzen und Nationen hinweg, auf diese Ansichten geeinigt haben, sollte man als Beweis für ihre Richtigkeit begreifen. Eine Konspiration hat es dazu ja nicht gegeben, alle haben aus freien Stücken gehandelt. Streng genommen beweist das zwar gar nichts, z.B. haben ja auch viele Leute unabhängig voneinander die Ansicht vertreten, die Erde stehe im Zentrum des Universums, aber es ist ein zu schönes Argument als daß man es ungenutzt lassen könnte. Außerdem siehe meine Warnung bzgl. dem Hinterfragen. Der Vorteil des Arguments beschränkt sich auch nicht darin, denn man kann daraus gleich noch weiteren Saft ziehen indem man bemerkt, daß die noch zahlreicheren Nicht-High-Ender die Ansichten nicht teilen. Das ist quasi noch ein zusätzlicher Beweis, denn die haben ja auch das Wissen nicht, und oft genug auch nicht das Gehör oder die Mittel.

Wer mir bis hierher gefolgt ist, hat den wesentlichsten Schritt zum High-Ender schon getan, und das interessanterweise ohne daß ich über die konkreten Ansichten etwas gesagt hätte. Nur über die "Meta-Ansichten". Der springende Punkt dabei ist daß man so weit kommen muß sich als privilegiert zu betrachten, als ein Mitglied einer erlesenen Gemeinde von Gleichgesinnten, die nicht nur gemeinsame Ziele und Leidenschaften eint, sondern auch eine Gabe, die nicht jedem zuteil wird. Die Tatsache daß die High-End-Ansichten nur von wenigen geteilt werden ist Zeichen dafür daß man zur Erlangung des Wissens eben privilegiert sein muß, und weil es nur Privilegierten zugänglich ist, muß das Wissen auch stimmen.

Damit wären wir bei den konkreten Ansichten, die unter High-Endern Konsens sind, und die man verinnerlichen muß. Die Ansichten sind so aufeinander abgestimmt, daß man sich die Richtigkeit nach Belieben immer wieder selbst bestätigen kann.

1. Der Kettengedanke

Hier vergegenwärtigt man sich, daß das kostbare Audiosignal durch eine Aneinanderreihung von Komponenten hindurch muß, die alle eine Bedrohung für die Integrität des Signal darstellen. Es drängt sich der Satz vom "schwächsten Glied" auf, und man wird dazu neigen allen Stationen in der "Kette" die gleiche Bedeutung zuzumessen. So werden Dinge, die dem Laien harmlos erscheinen, sehr bedeutsam, wie z.B. Blechbrücken an Lautsprecherterminals, oder das Lötzinn für die Weichenbauteile. Die daraus folgende Bedeutung, die den Details zugemessen wird, macht einen sehr "high-endigen" Eindruck und sollte auf keinen Fall vernachlässigt werden.

Eine nützliche Vorstellung ist, sich die Bauteile und Komponenten wie die Schläger bei einem Spießrutenlauf vorzustellen, durch den das arme Audiosignal durch muß. Logisch daß es da am besten ist wenn man möglichst wenige Stationen hat, entsprechend "gesünder" kommt man am Schluß heraus.

Man sollte sich nicht scheuen, diese Philosophie auf die einzelnen Bauteile in einem Gerät anzuwenden. Besonders konsequent ist es, auch die Bauteile mit einzubeziehen die gar nicht im Signalweg liegen, wie z.B. das Netzteil. Auch solche Dinge wie Gegenkopplung sollten Sie nicht beeindrucken, wie später noch beschrieben. Als High-Ender haben Sie sowieso ein Problem mit Gegenkopplung.

Reden Sie also nicht von Ihrer Anlage, sondern von Ihrer Kette. Das ist ein High-End-Codewort. Und reden sie davon daß man die Komponenten darin aufeinander abstimmen muß. Sie brauchen nicht zu erklären wie das geht, Sie werden auch so verstanden. Tun Sie einfach so als hätten Sie in mehrwöchiger harter Arbeit herausgefunden, welche Lautsprecherklemmen am besten zum Klangcharakter des Netzkabels ihres Plattenspielers passen.

2. Es kommt nur auf den Klang an.

Lassen Sie sich nicht dabei erwischen daß sie vom optischen Erscheinungsbild oder von der bequemen Bedienung eines Gerätes schwärmen. So etwas ist für Warmduscher. Ihnen kommt es nur auf den Klang an. Ausschließlich.

Deswegen gibt es auch speziell für den ambitionierten High-Ender wie Sie Firmen, die die dazu passenden Produkte liefern, wo ebenfalls auf Optik und Bedienung nichts gegeben wird, und einzig dem Klang gehuldigt wird. Firmen wie Transrotor, Burmester oder Graaf, deren Geräte man diese puristische Vielosophie auf den ersten Blick ansieht.

Noch besser sprechen Sie davon daß es nur auf die Musik ankommt. Denn der Klang dient ja letztlich der Musik. Wenn Sie es schaffen, so zu wirken daß Sie als High-Ender Dienst an der Musik leisten, ja für die Musik leben, für sie leiden, und für sie Verzicht üben, dann ist es perfekt. Sehen Sie sich Burmester an: Er möchte Sie vergessen lassen daß Sie Musik über technische Geräte hören. So selbstlos im Dienste der Musik ist er daß er seine unscheinbaren Geräte am besten ganz verschwinden lassen würde. Ein echter Highender.

3. High-End ist keine Geldfrage

Selbstverständlich nicht. Da es nur auf die Musik ankommt, kann es natürlich nicht auf's Geld ankommen. Der wahre High-Ender vergißt beim Musikhören nicht nur, daß er über technische Geräte hört, er vergißt gleich mit daß er für den Preis den sie gekostet haben auch fünf Jahre früher in Rente hätte gehen können.

Beim Klang kommt es ebenfalls nicht auf's Geld an. Jeder High-Ender wird das jederzeit bestätigen und Anekdoten beisteuern, wie er selbst schon ein billigeres Gerät klanglich besser fand als ein teureres. Außerdem kommt's ja wie schon geschildert auf die Abstimmung der Kette an.

Sie sollten sich auch gleich das entsprechende Vokabular zulegen, wenn Sie über Klang reden. Die entsprechenden Code-Wörter werden Sie als High-Ender ausweisen. Die unverzichtbare Grundausrüstung folgt hier, lassen Sie sich jedoch nicht dadurch beschränken, Sie dürfen gern ähnliche Wortschöpfungen selbst erfinden, das macht Sie um so authentischer als High-Ender. Außerdem findet man neue, interessant klingende Begriffe in der High-End-Presse, in den Herstellerprospekten, und in der Konversation mit anderen High-Endern.

Feinzeichnung, Dynamik, Durchhörbarkeit, Tiefenstaffelung, Bühne, Luftigkeit, Schwärze des Basses. Benutzen Sie diese Begriffe so als sei Ihnen selbstverständlich klar was sie aussagen.

Was übrigens prinzipiell nicht vorkommen kann ist daß ein Gerät aus der Massenproduktion klanglich mit einem High-End-Gerät mithalten kann. Daß man es klanglich nicht vom High-End-Gerät unterscheiden kann. Das geht nicht an und ist purste Holzohr-Demagogie. Das liegt natürlich nicht am Geld, vielmehr führt das direkt zum nächsten Punkt:

4. Es gibt immer einen Unterschied

Daß man zwei verschiedene Komponenten miteinander vergleicht und keinen Klangunterschied findet gibt's nicht. Man findet immer einen Unterschied. Man muß nur intensiv genug hören. Würde man offen sagen man höre keinen Unterschied würde man sich ja auch der Lächerlichkeit preisgeben. Man müßte befürchten, zum Ohrenarzt geschickt zu werden.

Es ist ja auch ziemlich einfach, Unterschiede zu hören. Man muß nur die richtige Methode anwenden. Die Methoden, die keine Unterschiede erkennen lassen, sind einfach zu unempfindlich. Blindtests zum Beispiel. Schon die Angst davor, man könnte sich dabei blamieren, macht einen praktisch taub. Besser ist es auch, wenn man die zu vergleichenden Geräte nicht zu direkt aufeinander hört. Ein Klang muß sich setzen. Wenn ich heute ein Gerät und morgen das andere höre sind die Voraussetzungen schon viel besser, um Unterschiede zu hören. Spötter wenden ein, diese Methode sei so empfindlich, daß man auch Unterschiede höre, die gar nicht da sind. Aber die verstehen nicht daß ein gehörter, nicht vorhandener Unterschied immer noch besser ist als ein nicht gehörter, vorhandener Unterschied.

Lesen Sie doch mal eine High-End Zeitschrift. Image-Hifi oder sowas. Finden Sie da jemals einen Test in dem zwei Geräte als klanglich identisch beschrieben werden?

Na also.

5. Meßwerte sagen nichts über den Klang aus.

Ist es Ihnen nicht völlig unverständlich wie die "Techniker" immer auf ihren Meßwerten rumreiten? Der Klang entsteht schließlich beim Hören, und das Entscheidende dafür sind die Ohren, nicht wahr? Wozu dann messen?

Schlimmer noch, wozu sich die ganze Theorie reinblasen, die man dazu anscheinend braucht? Der High-Ender braucht das alles nicht. Anlagenoptimierung, Komponentenauswahl, Hörräume, alles passiert nach Gehör. Wenn mal ein Lautsprecher verpolt ist, was soll's, Hauptsache es klingt gut! Und bei einem Hörvergleich die Anlage auf Pegelgleichheit ausmessen ist auch Humbug, Sie werden ja wohl noch Klang von Lautstärke unterscheiden können!

Außerdem, wenn Sie zwischen zwei Kabeln Unterschiede hören (Methode siehe oben), die meßtechnisch nicht nachvollziehbar sind, wessen Problem ist das dann wohl? Ist ja wohl klar: Gehört ist gehört, da hat dann wohl die Meßtechnik Nachholbedarf. Was auch nebenbei beweist, daß die Wissenschaft eben noch nicht so weit ist. Das menschliche Gehör, besonders das des High-Enders, ist eben ein sehr empfindliches und komplexes Organ, das der Wissenschaft weiterhin Rätsel aufgibt, und die Fähigkeiten der Meßtechnik übersteigt.

Und wenn sie schon noch nicht so weit ist, die Meßtechnik, warum sich dann mit ihr beschäftigen? Ist doch Zeitverschwendung! Weder der High-End-Zeitschriftenredakteur, noch der High-End-Gerätehersteller hält sich damit auf. Ersterer konzentriert sich darauf, herauszuhören, welche Schleier das Produkt in welche Richtung wegzieht, und letzterer erschafft seine Geräte durch die Kraft seines Gehörs, seiner Intuition und seines Willens: Es werde Klang!

High-End ist etwas für Genies, nicht für Buchhalter.

6. Der Live-Klang ist das Maß der Dinge

Wenn Sie eine Scheibe abspielen wollen Sie damit ein Konzert ersetzen, nicht wahr? Man geht ja nur deswegen nicht ins Konzert, weil gerade nicht das Gewünschte läuft (am Geld liegt's nicht, wie wir oben schon festgestellt haben). Wenn man also schon mit der technischen Krücke leben muß, dann soll sie möglichst das Live-Erlebnis originalgetreu reproduzieren, so daß man sich mitten im Geschehen wähnt.

Eine High-End-Anlage vollbringt da wahre Wunder. Sie schließen die Augen und sitzen in der Mailänder Scala, bloß ohne die übertriebene Parfümierung (Hugo Boss Femme) der Dame vor Ihnen. Oder im Shepherd's Bush Empire, bloß ohne die Bierpfütze (Newcastle Brown Ale) unter Ihren Schuhen. Macht nichts, daß die Scheibe im Studio aufgenommen und am Computer bearbeitet wurde, die Anlage, pardon, Kette bringt das authentische Live-Feeling rüber. Sie können das beurteilen, auch wenn Sie nie da waren. Es klingt einfach authentisch, also muß es so stimmen.

Lassen Sie die Spötter ruhig reden, die ihnen weis machen wollen so etwas könne es gar nicht geben, denn die Produktion sei schon künstlich gewesen, und die Wiedergabe über zwei Lautsprecher schaffe nur eine Illusion. Buchhalter, wieder mal. Entscheidend für originalgetreue Wiedergabe ist nicht, ob es im Original so war oder ob es das Original überhaupt gab. Wichtig ist daß es sich so anfühlt als daß es so gewesen sein muß, und man selbst dabei war. Mit sauberen Schuhen.

7. Klangkiller, die man als High-Ender vermeidet

Jeder High-Ender kennt ein paar Dinge die den Klang killen und daher äbäh sind. Die Kunde darüber wird von Mund zu Mund und Zeitschrift zu Zeitschrift weitergereicht. Die wichtigsten, bei deren Erwähnung man als High-Ender am besten ein Schweppes-Gesicht macht, sind diese
  • Die Gegenkopplung.
    Was das genau ist kann kaum ein High-Ender sagen, aber er weiß daß es schlecht ist. Es ist irgendwas im Verstärker, das nachträglich versucht zu korrigieren was zuvor krumm gelaufen ist. Kann ja nicht funktionieren, das kommt ja immer zu spät. Die Techniker meinen dadurch seien gute Verstärker überhaupt erst möglich, aber warum, das kapiert keiner, und folglich kann's auch nicht stimmen.
  • Der Jitter
    Weiß auch keiner genau was das ist, eine Art Zittern, und das kann ja nicht gut sein. Das Entstehen ist mysteriös, die Auswirkungen sind mysteriös, man kann's in Nanosekunden angeben, und weniger ist besser. Das zeigt doch wie präzise das Gehör ist, nicht wahr? Wenn's die Nanosekunden heraushören kann! Und da soll noch so ein Buchhalter-Schlaumeier behaupten es sei nicht wichtig daß man die Lautsprecherleitungen gleich lang macht!
  • Sauerstoff im Kupfer
    Ganz übel, macht Dioden zwischen den Metallkörnchen und der Klang wird davon ganz kratzig. Überhaupt, die Körnchen. Wenn man den Draht richtig zieht und behandelt dann geht der Klang in eine Richtung besser durch's Kabel als in die andere Richtung. Dann ist ein Pfeil aufs Kabel aufgedruckt. Spötter meinen daß der Pfeil dafür da ist daß die Elektronen sehen können wo der Klang hin soll. Typisch Buchhalter.
    Noch besser ist aber man nimmt Silber. Wie man schon vom Anblick her leicht vorhersagen kann, klingt ein Silberkabel heller. Die Elektronen gehen da einfach lieber durch.
  • Transistoren
    Kann man schwer drauf verzichten heutzutage, aber die guten alten Röhren sind einfach besser. Was gut aussieht klingt auch gut. Und die Bude wird auch warm davon. Lassen Sie in diesem Zusammenhang bei Gesprächen die Begriffe "ungeradzahlige Harmonische" fallen und Sie sind "in".
Es gibt natürlich mehr davon, aber es geht ja auch nur um einen Einstieg hier. Mit der Erwähnung der obigen Begriffe können Sie schon eine High-End-Fachsimpelei bei einer Grillparty überstehen.

Ein Begriff, bei dem Sie das Schweppes-Gesicht in verschärfter Form aufsetzen sollten, der aber nicht direkt den Klang sondern eher den Spaß killt, muß hier aber noch kurz Erwähnung finden: Blindtest. Oben ist er schon kurz angeklungen. Das ist ein fieser Trick der Buchhalter, mit dem sie versuchen die High-Ender mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Die eigenen Waffen, das ist natürlich das Gehör. Man tut so als würde man dem High-Ender die reine Entscheidung über das Gehör überlassen, und ihm lediglich die Augen verbinden, damit er die Kette nicht sehen kann. So manch ein High-Ender ist darauf herein gefallen und meinte, ob er was sieht oder nicht spielt keine Rolle. So ist das aber nicht. Man verbindet ihm die Augen, schnallt ihn auf einen Sitzplatz, spielt Musik ab die er nie zuvor gehört hat und schaltet wie wild hin und her, bis er ganz durcheinander ist. Danach behauptet man dann, das sei der Beweis daß es keine Unterschiede geben könne. Da darf man sich als High-Ender nie drauf einlassen! Blindtest und High-End schließen sich gegenseitig aus!

Zum Schluß noch ein guter Rat:

Als High-Ender werden Sie Anfechtungen ausgesetzt sein. Das passiert jeder Avantgarde, denn die Masse ist noch nicht so weit, die Sache zu begreifen. Und was sie nicht begreift, davor fürchtet sie sich. Sie sind dagegen als Teil der Avantgarde schon darüber hinaus, und sollten sich nicht wieder herunterziehen lassen. Begreifen Sie den Widerspruch als Ermutigung und als Chance zur Bewährung! Was so viel Widerspruch hervorruft kann nicht falsch sein!

Suchen Sie ruhig die Auseinandersetzung mit den Gegnern, aber tun Sie es nicht leichtfertig. Ihre Gegner werden versuchen die Wirklichkeit gegen Sie in Stellung zu bringen, dagegen müssen Sie sich wappnen. Gegen die Wirklichkeit kann man sich immunisieren. Hier sind ein paar Anregungen dafür:
  • Geben Sie auf alle Fälle Ihren Wahrnehmungen Vorrang. Was Sie hören und sehen ist Ihre Wirklichkeit, selbst wenn das die Stimme des Allmächtigen sein sollte, der Sie zur Vernichtung der Ungläubigen aufruft. Mein Beispiel mag Ihnen geschmacklos erscheinen, es zeigt aber die Kraft dieses Prinzips aufs Deutlichste.
  • Hören Sie nicht auf diejenigen, die Ihnen mit technischen Erklärungen kommen. Sie wollen Sie nur auf's Glatteis führen. Gut bewährt hat sich, in solchen Fällen darauf zu pochen, es käme auf die Musik an, und vergessen Sie auch nicht Ihre Gegner darauf hinzuweisen daß man Musik nicht mit Meßgeräten hören kann. Es ist wichtig, immer wieder zu betonen daß Sie der Vertrëter der Praxis, ihr Gegner der Theorie ist. Auch wenn er vorgibt, schon seit 30 Jahren praktisch tätig zu sein, ist er doch ein Theoretiker.
  • Vergewissern Sie sich immer wieder ihres Wissens. Wenn Sie in Diskussionen über z.B. Verstärkerklang verwickelt sind, ist es gut sich immer wieder hinzusetzen und Verstärker probezuhören. Wenn Sie es richtig anstellen (siehe oben) werden Sie keine Mühe haben, Unterschiede zu hören. Das wird Sie gegen die Wirklichkeit immunisieren.
  • Machen Sie sich die seelischen Defekte Ihres Gegners klar. Seine ablehnende Haltung muß ja einen Grund haben, sonst würde er zweifellos mit fliegenden Fahnen zum High-End-Tum konvertieren. Dieser Grund kann Neid sein, Geiz, Geldmangel, eine missionarische Haltung. Sie werden bestimmt schnell etwas finden. Seien Sie hartnäckig und unnachgiebig und frech, und Ihr Gegner läßt bestimmt bald die Maske fallen.
  • Beklagen Sie sich bei jeder Gelegenheit über unfaire Behandlung. Sie werden sehen, bald glauben Sie selbst daran daß Ihnen Unrecht geschieht. Man will Sie zensieren, zum Schweigen bringen, man respektiert Ihre Meinung nicht, man behandelt Sie grob und unhöflich. Sind das nicht alles Zeichen dafür daß Sie recht haben und Ihre Gegner es nur nicht zugeben können?
  • Übergehen Sie Punkte, auf die Sie keine gute Antwort wissen. Streichen Sie sie aus Ihrem Gedächtnis, und wenn Sie darauf angesprochen werden tun Sie so als würden Sie nicht verstehen worum es geht. Wird man hartnäckig, dann geben Sie sich mißverstanden. Absichtlich mißverstanden. Sie sind das Opfer, besinnen Sie sich immer darauf.
Es kann etwas anstrengend sein, aber Sie werden merken, daß Ihnen bald niemand mehr das Wasser reichen kann, und auch das bestätigt Sie wieder in der Zugehörigkeit zur Avantgarde. Das ist das Ziel: Selbstaufopferung im Dienste der Musik, ohne Bezug zur Wirklichkeit, zum Nutzen der High-End-Gemeinde, besonders der Hersteller unter ihnen.

Und wie Sie ja jetzt wissen, ist das alles gar nicht so schwierig. Sie können schon heute dazugehören.

Montag, 12. Mai 2008

Respekt? Welcher Respekt?

Jaja, man muß andere Meinungen respektieren. Rücke einem Subjektivisten diskussionsmäßig zu Leibe und früher oder später wird er mit diesem Respektargument daherkommen. Sozusagen als Ausweichstrategie wenn ihm beim Diskussionsthema die Argumente ausgegangen sind. Er könnte genausogut sagen: Laß mich in Ruhe! Bloß klingt das zu sehr wie eine Niederlage. Folglich versucht er einen Vorwurf daraus zu stricken, nämlich den der Verletzung einer ethischen Regel: Daß man die Meinung seines Gegenüber respektieren müsse.

Muß man das wirklich?

Es gibt eine ganze Reihe von Meinungen die ich nicht respektiere. Die ich weder respektieren will noch kann. Und ich habe dabei nicht das geringste schlechte Gewissen, und weiß auch nicht weswegen ich eins haben sollte.

Ich respektiere zum Beispiel keine Ignoranz, und damit auch keine Meinung die sich aus Ignoranz speist. Zum Beispiel wüßte ich keinen Grund warum ich die Meinung respektieren sollte, 2 + 2 ergebe 5. Ich weiß daß das falsch ist. Nachweislich falsch. Wenn es jemand anders sieht, dann sollte er schon verdammt gute Argumente dafür haben, andernfalls Pech für ihn.

Bei der Mathematik ist das natürlich wegen der klaren Beweislage am einfachsten zu beurteilen, aber auch bei weniger gut bewiesenen Themen verweigere ich meinen Respekt, wenn die Meinung zu bescheuert ist. Leute, die mir weismachen wollen, andere Rassen seien minderwertig, die Erde sei vor 6000 Jahren erschaffen worden, Homosexualität sei unmoralisch, oder ähnlichen Unfug, haben keinen Anspruch auf meinen Respekt.

Respekt muß verdient sein. Ich teile ihn nicht mit der Gießkanne aus.

Schon gar nicht bekommt meinen Respekt, wer ihn bei mir einfordert, während er sich als unfair behandeltes Opfer darstellt. Besonders wenn das offensichtlich eine Ausweichstrategie ist. Und erst recht wenn er dabei die Sachlage kraß verzerrt.

Im Hifi-Forum ist das wieder mal (zum x-ten Mal) Diskussionsthema hier und auch hier. Jämmerlich. Immer wieder die gleiche schablonenhafte Ignoranz der Subjektivisten, die sich auf ihren Außenseiterstatus noch was zugute halten. Die sich standhaft weigern, Argumente auf die sie nichts zu entgegnen wissen überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, auch nach mehrfacher Aufforderung, dazu etwas zu sagen. Die auch nach ausdrücklicher Erwiderung ohne irgendwelche konkrete Untermauerung ihren Diskussionsgegnern Aussagen und Positionen unterschieben, die so nie gefallen sind, und erkennbar unsinnig sind. Das ganze eristische Diskussionsrepertoire eben.

Da kann man von mir noch so oft Respekt einfordern, vor solch windelweichem Gebaren habe ich keinen.

Mit Meinungsfreiheit hat das übrigens nichts zu tun. Meinungsfreiheit heißt nur daß man seine Meinung frei äußern darf. Daß dafür irgend jemand Respekt aufzubringen hat bedeutet es nicht. Und wenn meine Meinung anders aussieht genieße ich die gleiche Meinungsfreiheit. Wenn meine Meinung ist, daß Du Schwachsinn redest, warum sollte ich das nicht frei sagen dürfen?

Und wie sollte ich in einem Forum, in dem ich ein gleichberechtigter Benutzer ohne Sonderrechte bin, die Meinungsäußerung Anderer unterdrücken? Ich kann mit meinen Artikeln die Behauptungen anderer in Grund und Boden argumentieren, aber verhindern daß diese Behauptungen geschrieben werden kann ich nicht. Und ich beeile mich hinzuzufügen: Das will ich auch nicht!

Meinungsfreiheit ist, daß jemand seinen Unsinn frei verbreiten darf. Meinungsfreiheit ist aber auch daß ich diesen Unsinn nach allen Regeln der Kunst auseinander nehmen darf, egal ob demjenigen das nun paßt oder nicht.

Von daher wär's mir lieber wenn die Subjektivisten ihr armseliges Gejammer einstellen würden und zum Thema zurück kämen. So könnten sie meinen Respekt für ihre Meinungen steigern, mit dem Einfordern von Respekt nicht.

Womit man meinen Respekt auch steigern könnte wäre wenn man demonstriert daß man bereit ist sich mit meinen Argumenten zu beschäftigen. Ja, es würde oft schon reichen wenn man erkennen ließe daß man sie überhaupt zur Kenntnis nimmt. Aber oft genug ist das Gegenteil der Fall.

Ich finde es respektlos, wenn man einem Diskussionsgegner noch nicht einmal zeigt das man sein Argument gelesen und aufgenommen hat. Ihm damit wortlos signalisiert: Was Du schreibst kann mir gestohlen bleiben. Oder wenn man keine Gelegenheit ausläßt, dem Diskussionsgegner das Argument nach seinem Gusto zu verbiegen, umzudrehen, ins Absurde zu übersteigern, oder mißzuverstehen. Alles das sind Anzeichen von Ignoranz, und die respektiere ich eben nicht.

Ist das missionarisch?

Das ist mir ehrlich gesagt egal. Es wird sowieso als Kampfbegriff benutzt. Für mich bedeutet der Begriff den Versuch, jemand Anderen von etwas zu überzeugen für das es keine vernünftige Grundlage gibt, und das ohne die Bereitschaft, sich seinerseits zu überzeugen zu lassen. Für das was ich vertrete meine ich eine durchaus tragfähige vernünftige Grundlage zu haben und ich lege sie auch in aller Regel offen. Zudem kann man mich von etwas anderem durchaus überzeugen, bloß sicher nicht mit grundlosen Behauptungen. In meinen Augen bin ich damit kein Missionar. Aber das wird diejenigen, die auf der Suche nach irgendetwas sind, das sie mir um die Ohren hauen können, sicher nicht hindern.

Habe ich verdeckte Motive?

Möglich. Wenn ich wüßte was mein Unterbewußtsein will dann wäre es nicht unterbewußt. Meine bewußten Motive sind aber nicht verdeckt, und ich meine die reichen auch um zu erklären warum ich mich im Hifi-Forum ins Getümmel stürze.

Die haben was mit meinem Job und meiner Hifi-Vergangenheit zu tun. Ich war auch mal Leser der einschlägigen Hifi-"Fach"zeitschriften, und habe eine Zeitlang geglaubt was ich las. Das ist 20 Jahre her, und es hat immerhin nicht lange gedauert bis ich begriffen habe daß das Humbug ist. Dieser ganze subjektivistische Esoterik-Mist hat schon damals angefangen, und ist seitdem nur noch schlimmer geworden. Jede zweite Ausgabe von Stereoplay war mal wieder die Sensation perfekt und neue Klangwelten haben sich aufgetan. Je mehr ich über die Technik dazugelernt habe desto bescheuerter kam mir dieses Geschwurbel vor. Schließlich habe ich's nicht länger ertragen und das Abo gekündigt, obwohl ich immerhin die Plattenkritiken vermißt habe. Für 15 Jahre ist mir dadurch nicht nur die Fachblatt-Szene, sondern darüber hinaus auch die Hifi-Szene zum Hals raus gehangen, mir schien die ganze Branche infiziert.

Tontechnik habe ich trotzdem zu meinem Beruf gemacht, aber im professionellen Bereich, in dem es nach meiner Beobachtung damals wie heute wesentlich nüchterner zugeht. Einesteils weil man da seine finanziellen Entscheidungen etwas besser rechtfertigen muß, andernteils weil man da im Durchschnitt einen höheren Anteil an Leuten antrifft die eine Ahnung von dem haben womit sie umgehen.

Ich habe auch heute noch keine Ambitionen, mich beruflich mit der Hifi-Szene zu beschäftigen, aber mir wurde vor einigen Jahren immerhin klar daß ich aufgrund meiner Erfahrung und meines Wissens einerseits, und meiner Unabhängigkeit von dieser Branche andererseits, gut "positioniert" bin um gegen den geballten Blödsinn anzugehen, der in Tateinheit von den Fachmedien und den Herstellern, und im Gefolge auch zahlreichen "Enthusiasten" auf die Leute losgelassen wird. Und mir wurde klar daß ich nach 15 Jahren aufhören muß in der Schmollecke zu sitzen, daß sich nur was ändert wenn man auch was tut, und daß es außer mir noch einen Haufen Andere geben muß die ähnlich denken. Zumal die Verhältnisse in der Hifi-Branche das Thema allgemeinen Gespötts der Profi-Szene waren. Es war schlicht undenkbar daß sich alle vernünftigen Leute in der Profiszene befinden und die Ahnungslosen in der Hifi-Branche.

Es ist außerdem schizophren, mit seiner Arbeit einer Profiszene dienlich zu sein, die letzlich ihrerseits Produkte für den Hifi-Benutzer macht, wo dann alles nach ganz anderen Kriterien abläuft. Wozu macht man Studiotechnik möglichst perfekt wenn der Endkunde das damit erstellte Produkt dann über einen sinnfreien Verstärker und furchtbar unausgewogenen Lautsprechern in einem dem Zufall überlassenen Raum abspielt, und dabei noch meint er wüßte es besser als die ganzen Profis, die im Gegensatz zu ihm tatsächlich was Vernünftiges gelernt haben, statt 10 Hörsitzungen bei Hifi-Händlern für Wissen, und sein Gehör für unbestechlich zu halten?

Ich habe auch gemerkt daß der Subjektivismus eben doch in die Profiszene einsickert. Langsam zwar aber merklich. Das mag auch was damit zu tun zu haben daß es einen stark wachsenden Semipro-Anteil gibt, also Leute die meinen sie seien Profis wenn sie ein 8-Kanal Behringer-Mischpult und ein T-Bone Mikrofon haben. Mehr und mehr hat sich bei mir der Eindruck verbreitet daß dieser Esoterik-Kram auch in Profi-Kreisen "salonfähig" wird. An der Stelle betrifft es eben auch mich. Ich will nicht in die gleiche Lage kommen in der sich seit 20 Jahren ernstzunehmende Hersteller von Hifi-Komponenten befinden: Mit den Wölfen zu heulen oder sich gegen einen schwer aufzuhaltenden Trend zu stemmen.

Was hat man in den letzten 20 Jahren als Hifi-Hersteller getan wenn man eigentlich den ganzen Esoterik-Kram für Unfug gehalten hat? Wie kommt man überhaupt an seine Kunden wenn die gesammelte Flachpresse ins gleiche Horn bläst? Wohlgemerkt, das war weit vor der Internet-Revolution. Der Kunde von Hifi-Geräten hat damals fast unvermeidlicherweise zu den Fachzeitschriften gegriffen. Und wenn er da unisono den gleichen - pardon - Scheißdreck liest fängt er an das zu glauben. Ging mir ja selber so, und ich bin erstens relativ kritisch und zweitens technisch vorgebildet. Und wenn da anscheinend Alle irgendwelche Unterschiede hören, man selber aber ehrlicherweise nicht, dann hat man folgende Möglichkeiten:
  • Man hält sich für gehörmäßig minderbemittelt. Umso ehrfürchtiger sieht man die die so etwas tatsächlich hören.
  • Man akzeptiert daß man nicht genug in seine Anlag investiert hat um so weit zu kommen. Nachdem aber die "Autoritäten" auch in der Klasse in der man selber "spielt" mühelos unterscheiden können, ist das nicht so recht glaubwürdig.
  • Man fängt an, sich emotional in diese Unterschiedhörerei hineinziehen zu lassen, und alles als bedeutend aufzufassen was man vorher als Vorübergehend aufgefaßt hat. Das muß man aber an seinem Verstand vorbei tun, wenigstens wenn man meine Sorte Verstand hat.
Kann ich irgendwie nicht. Paßt alles nicht. Ich beneide diejenigen ernsthaften Hersteller, die es schaffen, sich eine ehrenwerte Haltung in dieser Welle von Bullshit zu bewahren. Die es verstehen in einer Umgebung zu überleben, die von ihnen geradezu zu verlangen scheint, sich vor dem Altar der Subjektivität zu verbeugen, und die gleichen Worthülsen von sich zu geben die zum Standardrepertoire der Branche gehören. Das stelle ich mir so schlimm vor wie bei einem atheistischen Präsidentschaftskandidaten in den USA, der religiöse Standardfloskeln von sich gibt weil er weiß daß er sonst keine Chance hätte, gewählt zu werden. Zwang zum Heucheln, igitt!

Die Ironie ist, daß man in dieser Branche offenbar die größten Subjektivisten auch für die "mutigsten" Außenseiter hält. Wenn man einen Tuning-Lack für sündteures Geld anbietet, der unterschiedslos auf fast alles gepinselt enorme Verbesserungen bewirken soll, mit haarsträubenden Erklärungen beworben, findet man größeres Echo in der Szene als wenn man versucht, das Fähnchen der Rationalität hochzuhalten. Dabei wäre die einzig angebrachte Reaktion auf solche hemmungslose Verarschung ein Tritt in den Allerwertesten.

Dafür Respekt? Nicht von mir!

Was im Moment passiert, nicht zuletzt durch das Internet, ist keineswegs die Unterdrückung der Subjektivisten. Deren Meinungsfreiheit ist nicht in Gefahr. Es geht darum der Stimme der Rationalität überhaupt erst wieder Gehör zu verschaffen. Ein Klima zu schaffen in dem man sich als Hersteller auch trauen kann ehrlich zu sein, ohne dadurch einen entscheidenden Wettbewerbsnachteil zu haben. Ein Klima in dem sich der Kaufwillige auch neutral informieren kann und nicht den Eindruck gewinnt, die esoterische Erklärung der Welt sei die Einzige in dieser Branche. Ein Klima in dem keiner sich schämen muß oder Schmähungen anhören muß wenn er "weggezogene Vorhänge", "enorme Klangsteigerungen", "aufgehende Sonnen" und dergleichen nicht hört. Ein Klima in dem nicht als selbstverständlich hingenommen wird was bei näherer Betrachtung nicht nur der technischen Erkenntnis sondern auch dem gesunden Menschenverstand widerspricht.

Die Subjektivisten haben die letzten 20 Jahre das Spielfeld beherrscht. Es war höchste Zeit das zu ändern, und es ändert sich auch inzwischen merklich. Wer damit ein Problem hat kann's meinetwegen behalten. Am besten er behält dann sein Respekt-Gejammer auch gleich für sich.