Sonntag, 7. August 2011

Netzwerkkabel und die leidige Masse

Über die Masse und den sich darum rankenden Unverstand habe ich hier im Blog ja schon vor längerer Zeit geschrieben. Wir leben inzwischen in den Zeiten von Streaming und Computernetzwerken, und die Audio-, Video-, Telefon- und Computerinstallation in einem Haushalt hat die starke Tendenz zu einem untereinander verbundenen Ganzen zusammen zu wachsen. Da ist es natürlich nicht überraschend daß auch das schnöde Netzwerkkabel inzwischen in den Stand einer "Komponente" erhoben wurde, das diffizile Auswirkungen auf den Klang haben soll, obwohl es sich um rein digitale Kommunikation handelt. Was dabei üblicherweise völlig unterschlagen wird ist die sich daraus ergebende Masse-Situation. Falls aber eventuelle Klangunterschiede nicht frei eingebildet sind, was bei weitem die wahrscheinlichste Erklärung ist, dürfte die Masse der nächstwahrscheinliche Grund dafür sein.

Ein Computer-Netzwerk hat ein paar spezifische Aspekte in Bezug auf die Masse, die ich hier in einigem Detail ins Auge fassen will. Das wird unweigerlich technisch werden, und wer sich dafür interessiert tut gut daran, sich zuerst mit meinem alten Masse-Artikel vertraut zu machen. Meine "Message" ist in einem Satz die, daß - entgegen der üblichen Vorstellung - in einem gemischten Audio- und Netzwerksystem die ungeschirmten Netzwerkkabel meist besser sind, weil sie keine Masseverbindung zwischen den Geräten herstellen.

Wie es so meine Art ist, werde ich zur Erklärung ein wenig ausholen.

Die unsymmetrischen Audioverbindungen einer Audioanlage sind seit Alters her für kurze Wege vorgesehen gewesen. Das ist überhaupt der Grund warum man damit ausgekommen ist, und nicht die störfestere symmetrische Verbindung verwendet hat. Ich habe schon erklärt warum das heutzutage immer problematischer wird, auch bei Heim-HiFi.

Computernetzwerke sind demgegenüber von vorn herein darauf ausgelegt worden, größere Distanzen und Kabellängen zu erlauben. Es sollten damit ganze Gebäude und Bürotrakte verkabelt werden, nicht nur ein paar Geräte in einem Zimmer. Die maximale Kabellänge für ein CAT 5e Netzwerkkabel, wie es für 100 MBit/s und 1000 MBit/s Ethernet benutzt wird, ist z.B. mit 100 Meter angesetzt. Dabei geht man von maximal 90 m Installationskabel in der Wand oder im Kabelkanal aus, und an beiden Enden dann noch einmal je 5 m flexibles Patchkabel zwischen der Wanddose und dem Gerät.

Bei solchen Distanzen muß man mit signifikanten Unterschieden im Massepegel auf beiden Seiten rechnen, wogegen sich auch kaum etwas unternehmen läßt. Die einzige Chance besteht darin, die Übertragung vom Massepegel unabhängig zu machen, deswegen ist bei praktisch allen Netzwerktypen die galvanische Trennung mit Übertragern und die symmetrische Übertragung mit verdrillten Drahtpaaren Pflicht. Um die Kosten trotzdem niedrig zu halten, hat man die Übertragung so ausgelegt daß die Übertrager sehr klein und billig sein können. Teils werden sie heute bereits in die RJ45-Buchse des Gerätes integriert und sind als eigenständiges Bauteil gar nicht mehr sichtbar. Vorhanden sind sie aber immer, denn es ist nicht erlaubt sie einzusparen.

Im Kabel selbst sind 4 getrennt verdrillte Drahtpaare enthalten, die auf 8 Kontakte am Stecker gelegt sind. Fast Ethernet mit 100 MBit/s benutzt davon nur zwei Paare (die anderen Paare könnte man theoretisch für andere Zwecke benutzen), bei GBit Ethernet werden dagegen alle vier Paare benutzt. So weit ist das alles noch recht einfach, aber bei der Schirmung geht es mit der Komplexität schon los.

Im einfachsten Fall gibt es gar keine Schirmung. Die vier Drahtpaare liegen einfach nebeneinander in einer gemeinsamen schützenden Plastikumhüllung. Das heißt in der englischen Abkürzung UTP (Unshielded Twisted Pair). Ein solches Kabel stellt keine Masseverbindung zwischen den Geräten her, denn es verbindet nur die Signalleitungen, und die sind per Übertrager in jedem Gerät galvanisch getrennt. Oft ist das Kürzel UTP auf dem Kabel aufgedruckt, aber an fertig konfigurierten Patchkabeln erkennt man UTP auch daran, daß die Stecker keine Blechumhüllung haben, sondern bloß aus (meist transparentem) Plastik bestehen.

Bis hoch zu CAT 5e funktioniert das ohne Schirmung auch einwandfrei. Als Endbenutzer hat man in aller Regel von einem geschirmten Patchkabel keinen Vorteil, so lange man nicht über 1 GBit/s hinaus will. Die Schirmung kostet bloß zusätzliches Geld. Ein CAT 5e Kabel ist für eine Signalfrequenz von bis zu 100 MHz spezifiziert, und die Netzwerksysteme bis hin zu Gigabit Ethernet sind so ausgelegt daß sie innerhalb dieses Frequenzbereiches bleiben. Die Störfestigkeit wird in ausreichendem Maß durch die Verdrillung und Symmetrie der Drahtpaare erreicht, und in einer Heiminstallation wird man sich schwer tun, ein solches Ausmaß an Störungen zu produzieren daß sich davon die Übertragung beeindrucken läßt.

In professionellen Installationen ist das nicht ganz so eindeutig. Dort kommt es öfter vor daß Netzwerkkabel zu Dutzenden gebündelt im gleichen Kabelkanal nebeneinander liegen, und das auf zig Meter Distanz. In solchen Situationen kann das Übersprechen zwischen benachbarten Leitungen ein Ausmaß annehmen daß man Kommunikationsstörungen bemerkt. Dagegen kann Schirmung helfen, oder auch einfach ein größerer Abstand der Leitungen.

Das Problem mit den Störungen durch Übersprechen wird immer größer, je mehr Kabel parallel zueinander verlegt sind, je dichter gepackt sie sind, je länger sie parallel laufen, und je höher die beteiligten Frequenzen werden. Der Schritt von Gigabit Ethernet zu 10 GBit Ethernet war daher ziemlich kritisch. Hier reichen die 100 MHz von CAT 5e nicht mehr, man braucht mindestens 250MHz, und auch das erlaubt nicht die volle Distanz von 100 m. Für 100 m bei ausreichender Signalstärke und Störimmunität muß man tiefer in die Trickkiste greifen. Zwar kann man das immer noch völlig ohne Schirm hinkriegen, aber man muß dann für größere Distanz zwischen den Drahtpaaren sorgen, was das Kabel dicker macht. Die Konstruktion von CAT 6a Kabel enthält ein Plastikkreuz, das die vier Drahtpaare voneinander entfernt hält. Das betrifft in erster Linie die Installationskabel, und der Nachteil ist daß in einem gegebenen Kabelkanal deutlich weniger Kabel dieser Sorte Platz haben. Für größere Installationen kann damit das geschirmte und damit eigentlich teurere CAT 7 Kabel günstiger sein, denn es braucht weniger Platz bei sogar besserer Störsicherheit.

Für den Heimanwender sollte das aus gleich mehreren Gründen irrelevant sein:
  • Der Fall von vielen parallel im selben Kanal laufenden Kabeln dürfte sehr unwahrscheinlich sein.
  • Die maximale Kabellänge von 100 m wird auch kaum einer brauchen, selbst wenn Kabel in der Wand verlegt sind.
  • Für 10 GBit/s gibt's in Heimnetzwerken wohl auf absehbare Zeit keinen Bedarf; 1 GBit/s sind da schon reichlich.
Das heißt daß der Heim-Netzwerker für geschirmte Netzwerkkabel schlicht keinen Bedarf hat. Mindestens einmal Patchkabel brauchen nicht geschirmt zu sein. Bei Installationskabeln in der Wand wird man ein wenig weiter in die Zukunft planen wollen, und auch für 10 GBit/s gerüstet sein wollen, folglich gibt's da für CAT 7 noch eher gute Gründe.

Bei der Schirmung findet man Folienschirme und Geflechtschirme, und es macht auch noch einen Unterschied ob das Kabel nur im Ganzen geschirmt ist, oder zusätzlich jedes Drahtpaar einzeln. Mit S/FTP bezeichnet man ein Kabel, das im Ganzen geflechtgeschirmt ist, und jedes Drahtpaar zusätzlich foliengeschirmt ist (CAT 7 verlangt das). Dagegen hat F/UTP bloß einen Folienschirm im Ganzen, und die Drahtpaare haben keinen eigenen Schirm.

Der Schirm im Kabel muß, damit er wirksam ist, in den Buchsen und Steckern vorschriftsmäßig angeschlossen sein. Das ist, wenn man es selber machen will, z.B. in der Hausinstallation, gar nicht so einfach, besonders bei Folienschirmen. Zumal man die ungeschirmten aufgedröselten Strecken ganz kurz halten muß, um weiterhin konform zu CAT 7 zu sein - wenn nicht könnte man CAT 7 auch ganz bleiben lassen. Das bewirkt letztlich, daß der Metallkragen in der Buchse und am Stecker mit dem Schirm im Kabel verbunden ist, und wenn man ein derart geschirmtes Kabel nimmt um zwei Geräte zu verbinden, dann verbindet man ihre metallischen Gehäuse (und damit die Massen) über den Kabelschirm miteinander. Abschirmungsmäßig ist das auch genau das was man haben will, aber die Masseverbindung kann den gleichen Ärger machen wie ich das schon früher beschrieben habe.

Meine Empfehlung ist daher die Folgende:
  • Wer fest installierte Kabel in der Wand oder im Kabelkanal verlegen will, der soll dafür gute, geschirmte Ware nehmen (z.B. CAT 7), und den Schirm auf den Dosen und den Patchfeldern ordentlich auflegen.
  • Für Verbindungen am Patchfeld, oder zwischen einem Switch und einem festinstallierten Kabel, oder zwischen Switchen, sollte man geschirmte Patchkabel nehmen.
  • Für Verbindungen zwischen einem Endgerät (Computer, Drucker, Streaming-Box, ...) und dem nächsten Switch, oder der nächsten Wanddose, sollte man ungeschirmte Patchkabel nehmen.
Wer sich daran hält wird keine merklichen zusätzlichen Netzwerkstörungen bekommen, und er wird den Nutzen aus der galvanischen Trennung haben, die ihm Ärger durch Masseschleifen in der Audioanlage ersparen kann. Die Netzwerk-Masse wird dann von der Audio-Masse getrennt sein, und das ist ein sehr wünschenswerter Zustand.

Für Nutzer von drahtlosen Netzwerken ist das natürlich kalter Kaffee, die sind schon galvanisch getrennt, und müssen sich bloß über die Kanalbelegung mit der Nachbarschaft einigen.


Wenn Ihr das völlig falsch findet könnt Ihr Euch hier beschweren. Mich würde interessieren welche Erfahrungen mit Netzwerk und Masse Ihr so gemacht habt.